Folgt man den Vorschriften zur gesetzlichen Prüfung (§§ 316 ff. HGB.) bzw. den berufsrechtlichen Vorschriften (WPO) und gleicht die "fachlichen Verlautbarungen" bzw. Kommentierungen mit der Berufspraxis ab, so kommt man schon zu kuriosen und praxisfremden Feststellungen.
Vielleicht liegt es ja auch einfach daran, dass Juristen der WPK seit Jahrzehnten wichtige Vorschriften der Berufspraxis auslegen, ohne jemals selbst in der Berufspraxis konfrontiert gewesen zu sein.
Nehmen wir das Beispiel einer Mandatskündigung:
Eine Kündigung des Auftrags ist nur durch den bereits bestellten Abschlussprüfer möglich und darf nur ausgesprochen werden, wenn ein "wichtiger Grund" vorliegt. Die Kündigung ist gemäß § 318 VIII HGB sowohl vom Abschlussprüfer als auch vom Mandanten der WPK anzuzeigen.
Die WPK behält sich vor, den Sachverhalt zu prüfen und ggfs. die Zulässigkeit der Kündigung zu versagen. Aus dem jährlichen Berufsaufsichtsbericht der WPK geht hervor, dass die WPK in den letzten Jahren immer rd. ein Drittel der Kündigungen für unzulässig erkannte und anordnete, dass der WP die Prüfung fortsetzte und/oder mit einem (modifizierten) Testat beendete.
Von namhaften Kollegen/innen wurde mir ein Fall eines erfolgreichen Mittelständlers zu Beurteilung vorgelegt, wo sich nach einem 100%-igen Unternehmensverkauf an einen ausländischen Konzern die Käufer (neunstelliger Kaufpreis!) "beschissen" fühlen und dem bereits bestellten Alt-WP mitteilte, dass man mit ihm nicht zusammenarbeiten werde. Der noch von den Alt-Gesellschaftern bestellte WP hatte bisher noch keinerlei materielle Prüfungshandlungen durchgeführt und betrachtete aufgrund der massiven Beschuldigungen ebenfalls das "Vertrauensverhältnis" als vollends zerrüttet. Der WP erhielt Hausverbot und wurde aufgefordert, das Mandatsverhältnis umgehend zu beenden.
Begleitet wurde all dies noch dadurch, dass die (amerikanischen) Käuferanwälte mit Strafanzeigen gegen Geschäftsführer, leitende Angestellte des Unternehmens, Hausdurchsuchungen, monatelange forensische Untersuchungen, Auslesen zehntausender Emails, kiloschwere Klageschriften etc. das volle Programm abfuhren.
Schaut man sich jetzt die Kommentierungen von § 318 VI HGB und § 43 WPO (Rz. 139 ff. und 514) an, oder konsultiert die WPK, so glaubt man "im falschen Film zu sein"!
Die WPK glaubt tatsächlich, dass das Mandatsverhältnis mangels "wichtigen Grund" weiterhin gelten würde und ggfs. über einen Versagungsvermerk beendet werden müsste!?
Klartext: Es wird weder differenziert zwischen PIE und NON-PIE, ob angearbeitet oder nicht, Hausverbot und Strafanzeige etc. ...
Zur Entlastung erklärt man seitens der WPK, dass man Anfragen aus dem Berufsstand sowie Beurteilungen eingereichter Fälle oft nur mit der juristischen Brille betrachten kann.
Das kann ja wohl nicht wahr sein! - Diese Kommentierungen und Auskünfte gehen vollends an der Berufspraxis vorbei. Die WPK sollte vielleicht einmal erfahrene Berufspraktiker konsultieren, bevor solch wichtige Vorschriften kommentiert werden.
Kann es jetzt noch verwundern, dass der WPK kaum Mandatskündigungen angezeigt werden? Die Zahlen der angezeigten Kündigungen sind bei erster Verplausibilisierung (IDW PS 312) doch wohl unglaubwürdig.