Gegenstand und Umfang der Abschlussprüfung sind in § 317 HGB abschließend geregelt.
Gegenstand einer gesetzlichen Pflichtprüfung des Einzelabschlusses sind grundsätzlich Buchführung, Bilanz. GuV, Anhang und Lagebericht (§ 317 I, II HGB).
Primäres Zielsetzung der Prüfung des Jahresabschlusses ist die Feststellung der Gesetzesmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit.
Den Gesellschaftern steht es bei der notariellen Festschreibung der Statuten frei, in zulässiger Weise auch rechnungslegungsrelevante Regelungen zu treffen, die über die jeweiligen gesetzlichen Regelungen hinausgehen ("dispositives Vertragsrecht"). Diese zusätzlichen Regelungen dürfen jedoch nicht gegen gültiges Recht verstossen, da eine solche Beurkundung Gefahr laufen würde, nichtig zu sein.
Beispiele für solche zulässigen Regelungen im Gesellschaftsvertrag wären: Vorgaben für die Ausübung von Bilanzierungswahlrechten, Ergebnisverwendungsvorgaben etc..
In einem solchen Falle erweitert sich der Umfang der Abschlussprüfung für den Abschlussprüfer dahingehend, dass auch die Gesellschaftsvertragsmäßigkeit bzw. Satzungsmäßigkeit der Rechnungslegung bestätigt werden muss.
In der Praxis erfolgt dies dadurch, dass der Abschlussprüfer eine aktuelle Fassung des Gesellschaftsvertrags daraufhin durcharbeitet, dass er prüft, ob die Aufstellung der Rechnungslegung durch die gesetzlichen Vertreter (§§ 264 ff. HGB) auch den erweiterten gesellschaftsvertraglichen Vorgaben entspricht.
Der Bestätigungsvermerk (BSV) ist gemäß § 322 VII 2 HGB in den Prüfungsbericht aufzunehmen und richtet sich demzufolge an die (unmittelbaren und mittelbaren) Berichtsadressaten. Durch Offenlegung des Bestätigungsvermerks im eBanz (§ 325 I 2 HGB) richtet sich dieser auch an die "interessierte Öffentlichkeit".
Im BSV teilt der Abschlussprüfer das Ergebis seiner Prüfungsdurchführung mit. Also müsste bei einer Ausweitung des Umfangs der Abschlussprüfung auf die "Gesellschaftsvertragsmäßigkeitsprüfung" auch der Wortlaut des BSV unter Berücksichtigung dieser Tatsache ausgeweitet werden.
IDW PS 400, Tz. 38 i.V. mit IDW PS 201, Tz. 5 ff. schreibt vor, dass der Wortlaut des BSV entsprechend zu ergänzen ist.
Die Formulierungshilfen zum BSV im Anhang zu IDW PS 400 (Nrn. 1 - 14) sehen dies durch eckige Klammern vor, die je nach vorliegendem Fall "geöffnet" werden müssen ("Öffnungsklausel").
Im Kernsatz des uneingeschränkten BSV (IDW PS 400, Anhang 1.) heißt es dann nicht mehr:
- "Nach meiner Beurteilung aufgrund der bei der Prüfung gewonnenen Erkenntnisse entspricht der Jahresabschluss den gesetzlichen Vorschriften .." sondern muss dann lauten:
- "... und den ergänzenden Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags ..."
(Nur) hieran können Berichtsempfänger und die "interessierte Öffentlichkeit" erkennen, dass die Eigentümer der prüfungspflichtigen Gesellschaft durch notarielle Beurkundung in zulässiger Weise über die gesetzlichen Vorschriften hinaus in die Rechnungslegung eingegriffen haben. - Sie haben einen Anspruch darauf, dies zu erfahren.
Hingewiesen werden darf an dieser Stelle darauf, dass das "Überschreiben" von Vorjahresberichten (Kopieren von word-Dokumenten) bzw. die Verwendung von "Textbaustein-Bestätigungsvermerken" dazu führen kann, dass die Problematik um die Öffnungsklausel nicht erkannt wird.
Es ist die Aufgabe der Berichtskritik, hierauf zu achten, damit keine "falschen Bestätigungsvermerke" in Umlauf geraten.
Mangels Vorlage des Gesellschaftsvertrages bei der WPK kann ein solcher Fehler im Rahmen der Berufsaufsicht (eBanz-Durchsicht) grds. nicht festgestellt werden. (dh)