Déjà-vu im Gesetzgebungsverfahren
Direkt vor der Sommerpause veröffentlichte das Bundesjustizministerium seinen neuen CSRD-Referentenentwurf.
Wir erinnern uns:
Schon im März 2024 gab es einen Referentenentwurf, im Juli 2024 dann einen Gesetzentwurf. Dann kam das Ende der Ampel-Koalition und mit dem Bundestag die Diskontinuität: Zurück auf Los.
Nun also ein neuer Aufschlag: Der Referentenentwurf ist noch länger geworden: 205 Seiten Entwurf plus 643 Seiten Synopse. Macht zusammen: 848 Seiten Lesestoff.
Hauruck-Aktion: Keine zwei Wochen Zeit hatten die Verbände zur Stellungnahme. Dennoch gingen wieder über 70 Stellungnahmen beim Bundesjustizministerium ein.
Eile ohne Druck
Warum jetzt schon wieder ein Referentenentwurf?
Genannt wird das seit letztem Jahr laufende EU-Vertragsverletzungsverfahren. Deutschland hätte die CSRD schon bis Juli 2024 umsetzen müssen.
Der Grund ist formal korrekt, doch praktisch irrelevant, denn die EU treibt das Verfahren derzeit zurecht nicht voran. Im Gegenteil: Die EU arbeitet an einer teilweisen Rückabwicklung von CSRD und ESRS.
Damit ist schon heute klar, dass das deutsche CSRD-Umsetzungsgesetz kurz nach Inkrafttreten schon wieder geändert werden muss. Man denke an einen Neuwagen, dessen erste Fahrt vom Hof des Händlers direkt in die Werkstatt führt.
Was der Referentenentwurf bringt – und was nicht
Verschobene Erstanwendungszeitpunkte: Große Kapitalgesellschaften und haftungsbeschränkte Personenhandelsgesellschaften müssen ihren ersten Nachhaltigkeitsbericht nicht schon für das Jahr 2025, sondern erst für das Jahr 2027 aufstellen. Insoweit wurde die CSRD dieses Jahr schon geändert (Stop the Clock).
Omnibus-Initiative: Weitgehend außen vor lässt der Referentenentwurf dagegen die von der EU-Kommission schon angekündigte Einführung der Mitarbeiter-Schwelle auf 1.000 als weitere Voraussetzung zur Nachhaltigkeitsberichtspflicht. Und die Industrie fordert inzwischen eine noch höhere Schwelle.
Zeitplan vs. Realität
Das Bundesjustizministerium will das CSRD-Umsetzungsgesetz bis Jahresende beschlossen wissen.
Mehr Zeit nimmt sich die EU. Sie will CSRD und ESRS aber erst bis Anfang 2026 geändert haben.
Wie soll das funktionieren? Das funktioniert nur, indem das neue CSRD-Umsetzungsgesetz direkt nach Inkrafttreten Anfang kommenden Jahres schon wieder geändert wird. Sapperlot!
Vorbehaltsaufgabe: Konjukturprogramm für Big4?
Zur vollsten Zufriedenheit von WPK und IDW sieht der Referentenentwurf weiterhin die Vorbehaltsaufgabe vor. Da hätte man sich vom nun SPD-geführten Bundesjustizministerium mehr versprochen.
Treffendes findet sich dazu in der CSRD-Stellungnahme von DIE FAMILIENUNTERNEHMER e.V.: „(…) insbesondere ist eine Stärkung der oligopolistischen Strukturen der „Big Four“ zu erwarten, die für die betroffenen Unternehmer teuer ist.“
Der Wirtschaftsprüfer ist kein „geborener Prüfer“, auch wenn die Wirtschaftsprüferkammer nicht müde wird, das immer wieder zu betonen.
Ist es nicht ein Wahnsinn: Der TÜV Süd darf Wirtschaftsprüfer fortbilden – aber selbst keine Nachhaltigkeitsberichte prüfen?
Warum also lassen etwa Frankreich, Spanien und Österreich Prüfungsdienstleister zu – Deutschland aber nicht? Hier ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.
Gewerkschaften fordern mehr statt weniger
Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) meldet sich zu Wort – mit überraschender Stoßrichtung: mehr statt weniger Berichtspflichten.
Er lehnt das Omnibus-Paket ab. Die Einführung der Mitarbeiter-Schwelle von 1.000 und die Reduktion der Angabepflichten und Datenpunkte seien „irritierend“.
Irritierend ist eher die Forderung selbst: statt zu entschlacken will der DGB weiter aufblähen: „dass Gewerkschaften und betriebliche Arbeitnehmer*innenvertretungen als wichtige Stakeholder und Zielgruppe der Berichterstattung im Gesetzestext aufgenommen werden.“
Lieber DGB, dazu fällt mir nun gar nichts mehr ein …
Fazit
Ein Referentenentwurf voller Diskontinuitäten, auseinanderlaufenden Zeitplänen und schon bei Inkrafttreten überholten Vorschriften.
Drum ist der Weisheit erster Schluss: Gesetzgebung gerät zum Überdruss.
Literatur
- wp.net, CSRD-Stellungnahme, 21.7.2025
- Die Familienunternehmer, CSRD-Stellungnahme, 21.7.2025.
- TÜV Süd, CSRD-Stellungnahme, 21.7.2025.
- Deutscher Gewerkschaftsbund, CSRD-Stellungnahme, 21.7.2025.